Interview mit Prof. Meyer-Falcke, CIO des Landes Nordrhein-Westfalen

Interview mit Prof. Meyer-Falcke, CIO des Landes Nordrhein-Westfalen

Als CIO verantwortet Prof. Meyer-Falcke die Digitalisierung der Verwaltung in Nordrhein-Westfalen. Was das bedeutet, erfahren Sie unserem Interview.

Zuletzt geändert am 21. Juni 2022
Prof. Meyer-Falcke, CIO NRW

Als Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnik verantwortet Prof. Meyer-Falcke die Digitalisierung der Verwaltung in Nordrhein-Westfalen. Dies umfasst die Entwicklung ortsunabhängiger, medienbruchfreier, elektronischer Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen sowie die nachhaltige Verankerung der Digitalisierung in der Verwaltung. In diesem Rahmen hat sich die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zu den Zielen des Open Government hin zu mehr Transparenz, Beteiligung und Zusammenarbeit bekannt. Was das bedeutet und mehr erfahren Sie im nachfolgenden Interview.

Was bedeutet Open Government und was begeistert Sie persönlich an dem Thema?

Open Government ist ein in seiner Wirkungskraft bislang in Deutschland noch viel zu wenig gewürdigter Ansatz, der das Verhältnis vom Staat zum Bürger grundlegend verändert. Open Government (offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln) beschreibt einen Kulturwandel von Politik und Verwaltung hin zu mehr Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Sektors sowie mit Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Dieser Ansatz bietet große Chance für Politik und Verwaltung. Durch frühzeitige Bürgerbeteiligung können so z.B. Planungs- und Gesetzgebungsprozesse im Land erfolgreicher, schneller und im Sinne der Öffentlichkeit umgesetzt werden. Neue, nutzerzentrierte Wege der Zusammenarbeit mit externen Zielgruppen ermöglichen es, bessere digitale Services und Angebote zu entwickeln. Expertinnen und Experten, Bürgerinnen und Bürger, Unternehmerinnen und Unternehmer in die Gestaltung der Verwaltungsangebote systematisch einzubeziehen und so externes Wissen besser aufzunehmen und zu nutzen. Offene Daten bilden die Grundlage für datenbasierte Anwendungen und Geschäftsmodellen z.B. von innovativen Start-ups oder der Zivilgesellschaft. Sie können aber gerade auch für bessere datenbasierte Entscheidungen von Politik und Verwaltung selbst genutzt werden.

Mich persönlich begeistert an dem Thema, dass in diesem Ansatz großes Potenzial für eine Bewältigung von wichtigen gesellschaftlichen Veränderungen liegt. Ich bin davon überzeugt, dass Politik und Verwaltung für die Bewältigung von zentralen Herausforderungen noch viel stärker das Wissen, die Ideen und die Erfahrungen der Menschen vor Ort einbeziehen werden. Die Zukunft können wir nur gemeinsam gestalten. Beteiligungsangebote können dabei auch ein wirksames Mittel sein, um der Politikverdrossenheit bei Bürgerinnen und Bürgern entgegenzuwirken.

Wo stehen wir bei dem Thema in Nordrhein-Westfalen und welche zentralen Maßnahmen werden aktuell umgesetzt?

Es gibt kein anderes Bundesland, in dem das Thema Open Government so systematisch gemeinsam vorangebracht wird wie in Nordrhein-Westfalen. Open Government ist fest in der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen verankert worden. Die Open.NRW-Geschäftsstelle des CIO ist dabei die zentrale Stelle, an der Informationen und Expertise gebündelt werden. Weiterhin gibt es in allen Ministerien der Landesregierung Nordrhein-Westfalens eigene Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Bereiche Open.NRW und Open Data. Auch mit den Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben wir einen Open-Government-Pakt geschlossen, der Maßnahmen definiert, die wir gemeinsam voranbringen wollen.

Deshalb wurde zum Beispiel gemeinsam mit Sachsen ein zentrales Beteiligungsportal entwickelt, das wir allen Landesbehörden, Kommunen und Kreisen Anfang dieses Jahres zur kostenlosen Nutzung anbieten. Ich freue mich über die große Resonanz, die dieses Angebot gerade auch auf kommunaler Ebene bereits gefunden hat. Durch ein zentrales Portal erleichtern wir den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu allen Beteiligungsverfahren von Land und Kommunen und laden zum Mitmachen ein.

Neben dem neuen Portal für Bürgerbeteiligung fördern wir z.B. auch die Bereitstellung von offenen Verwaltungsdaten. Diese können von Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für die Entwicklung von datenbasierten Anwendungen und Geschäftsmodellen genutzt werden. Mit ihnen machen wir Regierungshandeln nicht nur nachvollziehbar und transparent, sondern verbessern auch die behördenübergreifende Zusammenarbeit. 2020 haben wir dafür das E-Government-Gesetz überarbeitet und eine Open Data-Regelung eingeführt, welche die Landesbehörden in NRW dazu verpflichtet, bestimmte Daten als Open Data bereitzustellen. Darüber hinaus ist im Januar 2022 die Open Data-Verordnung in Kraft getreten. Mit der Verordnung machen wir den Behörden des Landes konkrete Vorgaben, wie sie ihre offenen Verwaltungsdaten bereitstellen müssen. Veröffentlichte Daten sollen dadurch besser durch Dritte weitergenutzt und die Vereinbarkeit verschiedener Daten und Systeme gewährleistet.

Ein Herzstück von Open.NRW sind aber auch die zahlreichen Open-Government-Projekte der Ministerien und Landesbehörden. Aktuell entwickelt z.B. das Arbeitsministerium NRW nutzerorientiert ein Innovationsplanspiel für Jugendliche, durch das Digitalministerium NRW wurde die Digitalstrategie NRW beteiligungsorientiert gemeinsam mit Wissenschaft, Praktikern und Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet und weiterentwickelt. Über alle aktuellen Projekte und Aktivitäten informiert das Open-Government und Open-Data-Portal des Landes Nordrhein-Westfalen www.open.nrw.

Welche wichtigen Zukunftsthemen sehen Sie in diesem Bereich?

Für einen Kulturwandel wie Open Government brauchen wir einen breiten Wissenstransfer in den Verwaltungen sowohl auf kommunaler als auch Landesebene. In der Vergangenheit haben wir Beschäftigte über Leuchtturmprojekte für den Open-Gedanken begeistert. Über die finanzielle Unterstützung von Projekten hinaus, bedarf es aus meiner Sicht insbesondere einer Stärkung des Wissensaufbaus und Handlungsanleitungen. Wie binde ich Bürgerinnen und Bürger erfolgreich in die Gestaltung von Politik und Verwaltung ein? Wie erreiche ich mehr Nutzerorientierung bei dem Aufbau digitaler Anwendungen? Wie kann Verwaltung von offenen Daten profitieren? Mit den Coffee-Lectures „gute Bürgerbeteiligung“ haben wir ein erstes Lern- und Austauschformat entwickelt. Diesen Bereich werden wir zukünftig noch weiter ausbauen.

Gerade auch auf kommunaler Ebene rund um die Smart City sehe ich erhebliche Potenziale für den Open-Gedanken. Dort entsteht eine Vielzahl spannender Daten, auf deren Grundlage die Zukunft der Stadt besser gestaltet werden kann. Im Bereich Verkehr helfen so z.B. Mobilitätdaten in Echtzeit zu zeigen, wo Engpässe und Verbesserungspotenziale in der Verkehrsplanung bestehen. Wichtig ist, sich die Rechte an diesen Daten zu sichern z.B. in Vergabeverfahren. Hierzu veröffentlichen wir in Kürze einen Leitfaden mit konkreten Handlungshilfen für Verwaltungen.